Freizeit/Szene |
Recht/Politik |
Medien |
Gesellschaft/Soziales |
Kommunikation |
Beruf |
Alltag |
Come Out!-Rubriken |
bunt gemischt |
Kommentare |
Email|
Gästebuch|
DAS SCHWEIGEN
Sie durchschwieg die Tage. Fragen, die ihr gestellt wurden,
ließ sie unbeantwortet im Raum stehen.
Dem Drängen, dem Nachbohren widersetzte sie sich wortlos.
Die Experten waren sich auch ohne ihre Mithilfe einig –
die Tatsachen sprachen für sich.
Ein wesentlicher Beweis für ihr Kranksein war der Sachverhalt, daß sie hier war.
Dabei hatte sie nicht einmal die Vernunft gehabt, freiwillig zu kommen.
Sie wollte sich nicht helfen lassen, vom ersten Tag an nicht,
und daran hatten Ratschläge, Ermahnungen und Drohungen bis heute nichts geändert.
Glaubte sie, damit durchzukommen?
War ihr nicht klar, wer die Definitionsmacht über den Unterschied von gesundem und krankem Denken hatte?
Der gleiche Satz konnte auf die eine, aber genauso gut auch auf die andere, genau gegenteilige Weise, gedeutet werden.
Schweigen dagegen war Widerstand, darum war es eindeutig.
Wer schwieg, wollte nicht mitmachen, es war vorsätzliche Provokation.
Nicht reden stellte die Verfasser von Berichten vor eine Herausforderung.
Sie beschrieben die Situationen, in denen die Frau nicht das Erwartete gesagt hatte und deuteten mit welchem Gesichtsausdruck, welcher Körperhaltung diese Verweigerungen einhergingen.
Wer schwieg, mochte hoffen, die anderen würden irgendwann aufhören zu fragen.
Nachgiebigkeit setzt Verschleißerscheinungen, nervliche Ermüdung voraus.
Ein Ärzteteam, das sich alle acht Stunden ablöste, war immer einsatzbereit.
Vielleicht bildete sich die Frau ein, daß eine Abweichung ihrer psychischen Gesundheit nur dann festgestellt werden könne,
wenn von ihrer Seite absurde Verhaltensweisen vorlägen.
Möglicherweise glaubte sie, nichts Verwerfliches getan zu haben.
Sollte sie tatsächlich im Bereich der Norm denken und fühlen, warum verhielt sie sich dann nicht normal und kapitulierte?
musikalisch-literarische Gruppe Lyra, Email: chrisschwarze@t-online.de